Gaza, Palästina
Basman Elderawi, 31, Dichter, Schriftsteller, Physiotherapeut
Was siehts du, wenn du aus dem Fenster blickst?
Ich sehe direkt auf den Park des “Unbekannten Soldaten”, beobachte Menschen beim Flanieren und schaue den Autos zu, die am Park vorbeifahren. Manchmal landen auch Vögel auf meinem Fenstergeländer, Bulbul. Sie scheinen zu konkurrieren mit der Anmut der Blumen, die meine Mutter zwischen Fenster und Geländer gepflanzt hat.
Was hast du heute gefrühstückt?
Hummus, Oliven, Falafel, Spiegeleier, etwas Ziegenkäse, dazu Za’atar und Schwarztee mit frischer Minze. Ich liebe den Geruch von frischer Minze.
Welches ist dein wichtigster Gegenstand?
Mein Handy - um Musik zu hören. Ich mag Hip Hop und R&B. Eben habe ich mir “I dare you” von Kelly Clarkson heruntergeladen.
Was vermisst du am meisten?
Mit meinen Freunden am Strand zu sitzen. Und ich vermisse es, rauszugehen - raus aus Gaza.
Gaza hat Glück gehabt – bis jetzt. So lässt es zumindest die Hamas-Regierung offiziell verlauten. Das Virus ist noch nicht in die abgeriegelte Stadt eingedrungen, jene fünfzehn Menschen, die sich mit dem Virus infiziert haben, wurden rechtzeitig abgefangen, es waren Reisende von aussen, aus Israel und Ägypten, nun sitzen sie an der Grenze zu Gaza in Quarantäne. Weil das Virus noch nicht da ist, hat die Hamas ihrer Stadt einen Teil-Lockdown verordnet, das heisst, die knapp zwei Millionen Bewohner dürfen auf die Strasse, selbst einige Kleidergeschäfte sind geöffnet, denn der Eid al-Fitr, das grosse Fest zum Ende des Ramadans, steht vor der Türe, ein Anlass für viele, sich was Neues zu kaufen, dem wollte man keinen Riegel vorschieben. Moscheen aber, Restaurants, Cafés und Falafelküchen sind geschlossen, es wird zum Social Distancing aufgerufen und zum regelmässigen Desinfizieren. Die israelische Regierung hat Test-Sets nach Gaza geliefert, nicht genug, um die gesamte Bevölkerung auf das Virus testen zu lassen, sagt Basman Ederawi, aber um bereit zu sein, wenn erste Symptome auftauchen. Israel will die Kontrolle über die Pandemie behalten.
Basman geht jeden Tag zwischen 9 Uhr 30 und 10 Uhr seiner lahmgelegten Strasse entlang in seine Praxis. Zwar behandelt er keine Patienten, das ist jetzt, in Zeiten des Teil-Lockdowns verboten, er arbeitet bloss Administratives ab. Basman ist Physiotherapeut, Schriftsteller und Dichter oder besser: Dichter, Schriftsteller und Physiotherapeut, denn Schreiben ist sein Puls, sein Atem, sein Mittel, um mit dem ganz alltäglichen Leben in Gaza fertigzuwerden: Er schreibt über das Wissen, festzusitzen, über den Hauch von Perspektiven in der Perspektivlosigkeit, über die Gerüche frisch gebackener Falafel und der feuchten Netze der Fischer am Hafen, über das ständige Surren der Überwachungsdrohnen oder die immer wiederkehrenden Stromunterbrüche, derzeit hat sich der Rhythmus des Stroms in einem acht-Stunden-Takt eingependelt: acht Stunden ein, acht Stunden aus, ein Klicken verrät jeweils, wann der Strom kommt, und wann er geht.
Die Ideen für seine Kurzgeschichten und Gedichte kommen oft morgens, er sei ein typischer “Morgenschreiber”, sagt Basman. “Manchmal inspiriert mich ein Kind, das am Strassenrand sitzt und Kekse verkauft. Oft aber höre ich die Idee für ein Gedicht oder gar den ersten Satz einer Geschichte einfach in meinem Kopf.” Wie das geht, weiss er nicht. Die Idee sei plötzlich da, so, wie das Rauschen eines Baums. Dann setzt er sich hin und schreibt. Auf Englisch. Kein Stau, sondern ein Fluss. Seine Werke veröffentlicht er meistens auf WearenotNumbers.org, einer Plattform für junge Blogger aus Gaza, oder auf der Lifestyleseite Vivamost.com. Er hat aber auch ein offenes Ohr für Inputs von aussen. Als ich ihn bat, ein Gedicht über sein Leben unter dem Regime der Pandemie zu schreiben, schickte er mir die ersten drei Strophen bereits nach einer halben Stunde. Nach weiteren zehn Minuten folgte die vierte, danach die fünfte Strophe. Irgendwann werden es noch mehr sein. Ganz sicher.
At Gaza’s door
By Basman Elderawi
At the living room,
I sit there drinking a cup of
Hot mint tea
We are at Ramadan
The holiest month for Muslims
Around the world
I have just finished my Iftar,
After a long fasting day,
Maklouba with green salad
From my window, this moonless evening
People are walking in the street,
shopping as if this is a normal day
People miss praying at mosques
Yet still pray to celebrate Eid
Like in the old days
I miss hanging out with my friend at the
Port or the beach, eating grilled corn
And enjoying May’s breezes
In my bed,
Reading “Life without limits” books
Thinking of a new poem
Planning to watch a new movie
Corona knocks at Gaza’s door
The government tries to quarantine
the ones Returning home
and I am trying to get rid of feeling cold
of the images that sneak from
under the door.
Under the blanket,
Trying to sleep but
The thoughts invade from
Under my pillow
I close my eyes yet the scary faces
of death demons Jump at my face
I know my lady Gaza’s health state
Is fragile and that numbs my heart
but I sing a hope song
For god and a superhero sits in a lab
To find a treatment
At the edge of my bed,
I run away from my hunted sleep
Put my headphones on and raise
The music, trying to shut down
my Inner fear’s voice
Yet the questions keep invading
When will this end?
How will this end?
What is going to change?
I survived three time from wars’
Gun machines but will I survive again?
Basman plante, sich um ein Stipendium für eine Universität in Europa zu bewerben, er träumt davon, in London zu studieren, sich in Physiotherapie weiterzubilden oder einen Kurs in “Creative Writing” zu belegen. Er war eben daran gewesen, die Unterlagen zusammenzustellen - dann kam der Lockdown über die Welt. Aber er wird weitermachen, sobald die Pandemie ihr Regime lockert. Immerhin, sagt er, ist das Virus nicht so furchteinflössend wie Drohnen und Bomben. Es macht schlicht viel weniger Lärm.